Dispensionalismus
Noch nie von diesem Wort gehört? Nun, vielleicht vom dritten Tempel (Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem) oder von der Entrückung oder von den dreieinhalb Jahren der Drangsal oder Trübsal. Wenn ja, dann hast du auch schon von dem Dispensionalismus gehört. Aber eins nach dem anderen.
Ein kurzer Steifzug durch die Geschichte
Werfen wir einen Blick auf einige relevante Meilensteine in der Auslegung der Offenbarung in Bezug auf den Dispensionalismus.
Wir beginnen mit Justin Martyr (ca. 100–165). Seine Sicht des Tausendjährigen Reiches war die Erfüllung der Prophezeiung Jesajas, die von einem besseren Leben und in Harmonie mit der Natur spricht. Erst danach kommt das Gericht. Das Problem ist allerdings, dass diese Bibelstelle von der Erfüllung im Neuen Himmel und der Neuen Erde spricht, also ein Kapitel später in der Offenbarung. Dennoch wurde sie von anderen oft zitiert, um die Endzeit zu interpretieren.
Danach ist nicht viel passiert bis Joachim of Fiore (ca. 1135–2012). Er unterteilte die Zeit in drei Teile wegen der Dreieinigkeit:
- Zeit des Vaters von der Schöpfung bis zu Jesu erstem Kommen
- Zeit von Jesus von König Josia im siebenten Jahrhundert vor Christus bis Jesu erstem Kommen
- Zeit des Heiligen Geistes von der monastischen Reform durch St. Benedikt bis zu einer gewissen Zeit in der Zukunft.
In den sieben Köpfen des Tieres aus der Offenbarung sah er sieben Könige, die Feinde des Christentums waren: Von Herodes und Nero im ersten Jahrhundert bis zu Saladin, dem muslimischen Anführer, der 1187 als sechster König die Kreuzfahrer im Heiligen Land besiegte. Der nächste sollte die große Drangsal bringen, die das Zeitalter des Heiligen Geistes einläutete. Während dieser Krise würden zwei neue monastische Orden gegründet, um Zeugnis im Geiste Moses und Elias abzulegen. Diese beiden Orden wurden als franziskanischer und dominikanischer Orden interpretiert. Franziskus wurde als der Engel identifiziert, der das sechste Siegel öffnet und die letzte Ernte einbringt.
Kaiser Friedrich II. (1194–1250) wurde der siebente König. Er versuchte, einige päpstliche Gebiete in Europa unter seine Kontrolle zu bringen. Als dies misslang, startete er einen neuen Kreuzzug ins Gelobte Land, woraufhin ihn Papst Gregor IX. als das Tier aus dem Meer bezeichnete. Daraufhin nannte Friedrich den Papst den großen Drachen, der die Welt verführt. Später wurden Name und Titel des Papstes mit der Zahl 666, der Zahl des Tieres, in Verbindung gebracht. Als Friedrich starb, glaubten manche, er werde als erstes Tier wieder auferstehen.
Einige von Joachims Anhängern berechneten das Ende der Zeit auf 1260, da im ersten Kapitel des Matthäusevangeliums von 42 Generationen die Rede ist. Als Jesus schließlich doch nicht kam, eskalierte der Konflikt zwischen den Kirchenführern und den radikalen Franziskanern, die darauf bestanden, dass Jesus die wahren Christen zur Armut berufen habe, im Gegensatz zum Reichtum der mittelalterlichen Kirche und ihrer Führer. Papst Bonifaz VIII., der sich dem widersetzte, wurde als das Tier identifiziert und die Zahl 666 als die des nächsten Papstes gezeigt.
Der nächste große Schritt war William Miller (1782–1849) und die Sieben-Tages-Adventisten. Ein Schlüsseltext für ihn war die Aussage Daniels, dass es 2300 Tage sein werden bis das Heiligtum gereinigt sein wird. Er verstand die 2300 Tage als Jahre in Hesekiel und das Heiligtum die Erde ist, die bei Jesu zweitem Kommen gereinigt wird. Wenn man von 457 v. Chr. ausgeht, wäre dass 1843–1844. Er verbreitete seine Botschaft und hatte viele Anhänger. Aber als das Jahr 1844 verging und nichts geschah, waren viele enttäuscht und verließen ihn, aber andere dachten, es ginge mehr um die Reinigung des himmlischen Heiligtums. Eine Frau namens Ellen White folgte dieser Auslegung und gründete die Sieben-Tages-Adventisten.
Ein neues Datum wurde errechnet, 1874, aber auch das verging und nichts geschah. Dann kam Charles Taze Russel (1852–1916) und verbreitete die Idee, Jesus sei 1874 geistig wiedergekommen und das Tausendjährige Reich werde 1914 beginnen. Seine Anhänger nannten sich Zeugen Jehovas.
Der Mann, der den Dispensationalismus wirklich einführte, war John Nelson Darby (1800–1882). Er war Vikar in der Kirche von Irland und engagierte sich sehr für die Armen in seiner Umgebung. Er verließ die Kirche, als der Erzbischof von Dublin ihn aufforderte, von jedem Bekehrten zu verlangen, dass er auf König George IV. als rechtmäßigen König von Irland schwören sollte.
Nach einem Unfall verbrachte er einige Zeit mit Nachdenken und kam zu dem Schluss, dass die Kirche und das Reich Gottes im Alten Testament zwei verschiedene Dinge sind. Er teilte die Weltgeschichte in sieben „Haushaltungen” (engl. dispenses) ein, was dem Dispensationalismus seinen Namen gab. Die letzte dieser Haushaltungen ist das Tausendjährige Reich.
In dieser Sicht ist die Gemeinde nur eine Zwischenstation, bis Israel als irdisches politisches Reich die Welt regiert, während die Gemeinde in den Himmel entrückt wird.
Seine Ansicht verbreitete sich schnell durch die Scofield-Bibel, Hal Lindseys “The Late Great Planet Earth” und die “Left Behind”-Serie, die viele Menschen gesehen oder gelesen haben.
Da sich der Dispensionalismus stark verbreitet hat, gibt es eine große Vielzahl dessen, was Menschen darunter verstehen.