Jesus und der Bund

Als Jesus auf die Erde kam, „überraschte“ er die Menschen mit seiner Botschaft und seinem Verhalten, was für die Juden schockierend war. Warum und was hat das mit dem Bund Gottes zu tun?

Die Erwartung an den Tag des Herrn

Zur Zeit Jesu warteten die Juden auf den Tag des Herrn, und es gab eine Vielzahl von Interpretationen, wie dieser Tag Wirklichkeit werden würde:

  • (teilweiser) Rückzug aus der Gesellschaft und stärkere Befolgung des Gesetzes (Qumran)
  • stärkere Befolgung des Gesetzes in der Gesellschaft (Pharisäer)
  • Israel wird verworfen und Gott erwählt die Römer (jüdische Historiker wie Josephus)
  • stärkerer Gesetzesgehorsam und Unterordnung unter die Römer und Zusammenarbeit mit ihnen (Sadduzäer)
  • stärkerer Gesetzesgehorsam und aktiver Widerstand gegen die Römer (Zeloten)

Die Herausforderung

Wenn die Bibel im Neuen Testament über Jesus spricht, ist es immer sehr herausfordernd. Werfen wir einen kurzem Blick an den Anfang des Markusevangeliums. Das Wort Evangelium ist im Griechischen “evangeliou”, ein Wort, das normalerweise benutzt wird, um die Geburt eines neuen Kaisers zu verkünden. Es war eine Herausforderung an den Kaiser in Rom: Der wahre König ist Jesus.

Aber es geht noch weiter. Unmittelbar nachdem Markus sich auf Jesaja beruft, wird der Tag des Herrn angekündigt. Jesus hat vieles getan, was mit der Geschichte Israels und den Verheißungen (vom Tag des Herrn) zu tun hat:

  • Die Berufung der 12 Apostel auf einem Berg erinnert an die Neuschaffung von Israel aus den 2 Stämmen am Berg Sinai.
  • Die Versuchungen Jesu, die auch Israel in der Wüste hatte und die es nicht bestanden hat (Versorgung mit Wasser und Brot, Wunder, Götzendienst), was dazu führte, dass Israel 40 Jahre durch die Wüste wandern musste (nachdem Israel den Kundschaftern, die 40 Tage durch das Land zogen, geglaubt hatte) — interessanterweise wurde genau 40 Jahre, nachdem Jesus seine Mission beendet hatte (30 n. Chr.), der Tempel in Jerusalem zerstört.
  • Die Heilungen Jesu sind ein Zeichen für das Kommen des Reiches Gottes.
  • Die Dämonenaustreibung (im Alten Testament nicht geschehen) beschreibt die Wiederherstellung Israels gegenüber seinen Feinden.
  • Die Brotvermehrung erinnert an das Manna in der Wüste.
  • Die Stillung des Sturms erinnert an den Auszug aus Ägypten.
  • Das Mahl mit den Sündern ist eine Vorwegnahme des großen Festmahls Gottes mit seinem Volk.

Die Lehren Jesu

Die Lehren von Jesus waren sehr konfrontativ gegenüber Israel, z.B. nimmt er das Gleichnis des Weinberges, der keine Frucht bringt aus Jesaja, das die Beschneidung Israels beschreibt. Jesus macht daraus das Gleichnis von den untreuen Weinbauern, in dem durch das Gericht ganz Israel ausgerottet wird wenn es ihn abweist.

Der Tag des Herrn ist nicht mehr der Tag der Wiederherstellung des physischen Jerusalems und des Tempels (wie in Hesekiel 40–48), sondern der Tag der Zerstörung Jerusalems und des Tempels.

Das Kommen des Reiches Gottes (Israel wird herrschen) kommt auf versteckte Weise wie

  • Gleichnis vom Sämann,
  • Unkraut im Feld oder das Gleichnis vom Fischnetz,
  • Aufwachsen der Saat,
  • Gleichnis vom Senfkorn (Same ist nur 1 mm groß, aber Baum wird bis zu 2–3 m hoch), der Baum ist ein Bild für Gottes Reich, der Kleinste wird zum Größten (das sollte Israel bekannt sein)
  • Hefe, die den ganzen Teig durchsäuert (Hefe wurde im Alten Testament niemals als Bild für das Reich Gottes benutzt) — aus einer kleinen Menge wird im Verborgenen unaufhaltbar eine große Menge.
  • der verborgene Schatz und die Perle — der Schatz muss gesucht werden, wenn gefunden, gibt man alles auf

Auch die Beschreibung der Seligpreisungen sind eine Herausforderung für Israel — denn es fordert Israel heraus, das wahre Israel zu sein, denn alle Verheißungen gelten den Treuen in Israel:

  • Die Armen im Geist erben das Königreich.
  • Die, die trauern, werden getröstet (mit Neugeburt von Israel).
  • Die Sanftmütigen werden das Land erben.
  • Die Reinen im Herzen werden Gott sehen.
  • Die Friedensstifter werden Kinder Gottes genannt werden (Titel von Israel).

Ein neues Denken

Als Jesus kam, haben die Menschen sein Kommen nicht bemerkt. Sie erwarteten etwas anderes. Denn nach der Verheißung vom Tages des Herrn wird er

  • kommen, um die Feinde Israels zu vernichten und
  • den Überrest Israels wiederherzustellen, damit sie
  • über die ungläubigen Völker zu herrschen.

Es gibt jedoch einige Missverständnisse

  • Israel dachte, die Feinde seien die unterdrückenden Nationen.
  • Der Überrest sind die religiösen Menschen wie die Pharisäer.
  • Herrschen bedeutet, über andere zu herrschen, wie es die Völker tun.

Zunächst einmal hatte Jesus ein ganz anderes Verständnis von Herrschen.

Zweitens hat Jesus sehr deutlich gemacht, dass die Feinde nicht die Römer als Besatzungsmacht sind, sondern die Feinde sind die Dämonen, die er bei verschiedenen Anläßen austrieb. Sie auszutreiben, war ein Zeichen dafür, dass der Tag des Herrn da ist. Das war speziell bei seinem Tod der Fall.

Schließlich sind der Überrest nicht die religiösen Menschen, sondern diejenigen, die den Bund halten, also nur Jesus selbst. Alle anderen gehören nicht zum Überrest und würden unter das Gericht fallen — also das gesamte Volk Israel.

Bereits und noch nicht

Er sagt, dass der Tag des Herrn (sein Reich) gekommen ist. Das Markusevangelium beschreibt die Vision, die den zweiten Teil von Jesaja einleitet, wo von der Wiederherstellung Israels gesprochen wird. Er zitiert die Erfüllung der Prophetie von Kapitel 61 in seiner Predigt: “Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, den Armen frohe Botschaft zu verkünden; er hat mich gesandt, zu heilen, die zerbrochenen Herzens sind, Gefangenen Befreiung zu verkünden und den Blinden, dass sie wieder sehend werden, Zerschlagene in Freiheit zu setzen, um zu verkündigen das angenehme Jahr des Herrn.«”

Vergleicht man diese Stelle jedoch mit der bei Jesaja so stellt man fest, dass Jesaja mitten im Satz abbricht: “um zu verkündigen das angenehme Jahr des HERRN und den Tag der Rache unseres Gottes”

Jesus kam nicht, um die richten, denn sonst müsste er alle richten, also hat er den Tag des Herrn in zwei Teile geteilt.